Übergänge im Leben als Chance Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello

Übergänge im Leben meistern, Umbrüche bewältigen – Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello


Heute habe ich eine Expertin für Übergänge im Leben im Interview und ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich sie dafür gewinnen konnte. Prof. Dr. Pasqualina Perrig-Chiello ist Entwicklungspsychologin, forscht seit Jahrzehnten zu Übergängen in der Lebensspanne und hat mit ihrem Buch Own Your Age ein beeindruckendes Plädoyer für ein aktives, gestaltetes Älterwerden vorgelegt.

 

 

Warum Übergänge im Leben uns wachsen lassen

Übergänge im Leben sind keine Ausnahme, sie sind die Regel – besonders in einer Zeit, in der Biografien immer individueller verlaufen und der klassische lineare Lebenslauf längst ausgedient hat. Doch was macht diese Übergänge so herausfordernd? Und warum sind gerade die Jahre zwischen 45 und 55 für viele Menschen so dicht, so komplex, und so aufwühlend?

Unser Leben besteht aus ruhigeren und unruhigeren Phasen – und genau an den Übergängen zwischen diesen Phasen passiert Entwicklung. Ob Kündigung, Pensionierung, Trennung oder der Wunsch nach Neuorientierung – in solchen Momenten bricht das Alte weg, das Neue ist noch nicht greifbar. Unser alter Lebensentwurf passt nicht mehr, wir müssen unsere Identität neu definieren, das ist mit viel Unsicherheit verbunden und macht Angst. 

 

Wir dürfen alles und müssen für alles einstehen

Zusätzlich entsteht genau dadurch Druck, dass ja alles möglich ist. Das Mantra lautet: Du kannst dein Leben gestalten, wie du willst, du hast also die völlige Freiheit. Und es ist ja auch so. Mit 55 gehen manche in den Vorruhestand und andere machen sich selbstständig, werden die einen Opa und die anderen Vater.

Jeder darf das machen, wie er will, ist aber auch selbst dafür verantwortlich. Und wenn es nicht klappt, dann bist du selbst schuld. Die frühere Normierung des Lebenslaufes und die Vorstellungen, was wann zu tun ist, gab auch Struktur. Heute lässt uns die Gesellschaft damit allein: Mach‘, was du willst.

Interview als Video ansehen:

Die Lebensmitte: körperlich, beruflich, psychisch und sozial herausfordernd

Die Lebensmitte – also die Jahre zwischen 45 und 55 – ist aus entwicklungspsychologischer Sicht besonders dicht. 

Körperlich verändern sich Prozesse, bei Frauen wie Männern. Hormonelle Umstellungen, nachlassende Leistungsreserven, veränderte Bedürfnisse. 

Beruflich befinden sich viele auf dem Zenit. Sie haben viel erreicht und dafür auch viele Kompromisse gemacht. Und gleichzeitig fühlen sie sich wie in einem Hamsterrad.

Psychisch werden sich die meisten bewusst, dass das Lebenszeitfenster kürzer wird. Das bedingt Bilanzierungsprozesse. War das schon alles? Soll es so weitergehen?

Auch sozial ist diese Zeit oft herausfordernd. Viele Menschen befinden sich in der sogenannten Sandwich-Position – verantwortlich für die eigenen Kinder und zunehmend auch für die alternden Eltern. In Partnerschaften häufen sich in diesem Alter Trennungen. 

Das Gefühl „more of the same“ – beruflich wie privat – stellt sich ein. Viele spüren: Ich will etwas verändern, weiß aber nicht was. Oder ich weiß es – traue mich aber nicht.

Manche wollen ausbrechen. Aber bei vielen ist es auch die Lust, sich neu zu definieren und das Bedürfnis, zu sich selbst zurückzufinden.

 

Ambivalenz ist kein Fehler, sondern der Normalzustand bei Übergängen im Leben

Was hilft in solchen Phasen? Nicht das Durchhalten um jeden Preis, sondern das bewusste Innehalten. „Ambivalenzen sind normal“, betont Frau Perrig-Chiello. Sie zu erkennen und ernst zu nehmen, ist der erste Schritt.

Denn „Unzufriedenheit ist immer ein Zeichen dafür, dass eine Veränderung ansteht“, sagt sie. Doch viele ignorieren dieses Signal – aus Angst, aus Gewohnheit, aus Verantwortungsgefühl. Besonders Männer neigen laut Perrig-Chiello dazu, Unzufriedenheit zu verdrängen und sich durchzubeißen, statt innezuhalten.

Es ist nicht nur wichtig, sondern unerlässlich, Bilanz zu ziehen. Was habe ich bisher gelebt? Was wollte ich eigentlich? Wo habe ich Kompromisse gemacht – und was will ich für den nächsten Lebensabschnitt? Geschieht das nicht, kommt es zu diesen scheinbar plötzlichen Ausbrüchen aus Verpflichtungen. Dann steckt man mitten in einer Krise.

Schon vor vielen hundert Jahren beschrieb der Mystiker Johannes Tauler die Midlife Crisis. Er sagte, das einzige was hilft in diesem Spannungsfeld ist innezuhalten und sich einzugestehen, dass man an einen Nullpunkt gelangt ist.

Diese Zwischenräume in Übergängen, diese „Nullpunkte“, wie er es nennt, bergen das größte Potenzial für Veränderung. Sie sind nicht angenehm, aber wer den inneren Nullpunkt erreicht, kann ihn als Chance begreifen.

 

Wie du Übergänge im Leben leichter meisterst

Frau Perrig-Chiello rät zu kleinen Schritten. Es braucht keine radikale Kehrtwende, aber ein klares Hinschauen: Wer bin ich? Was brauche ich wirklich? Und was darf sich verändern?

Ein zentrales Element ihrer Forschung ist die sogenannte Übergangskompetenz. Diese beschreibt die Fähigkeit, mit Unsicherheit, Unklarheit und Veränderung umzugehen – nicht durch Verdrängung, sondern durch Auseinandersetzung. Dazu gehören:

  • Offenheit für Neues – die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln, auch jenseits der beruflichen Rolle. Aber auch Offenheit für die Welt.
  • Hoffnung – nicht als naives und passives Wunschdenken, sondern als aktives Werkzeug zur Zukunftsgestaltung.
  • Selbstverantwortung – den eigenen Spielraum zu erkennen und zu nutzen – auch wenn er vielleicht klein ist -, statt sich in Ohnmacht zu verlieren.
  • Hilfe annehmen – Coaching, Beratung, Gespräche mit anderen. Überhaupt darüber sprechen. Für viele sind solche Gedanken ein Tabu, aber fast alle haben sie. 

 

Der Irrtum von „zu alt“

Pasqualina Perrig-Chiello wehrt sich entschieden gegen das gesellschaftliche Altersbild, das den Menschen jenseits der 50 oft als „Problemgruppe“ einsortiert. „Wir leben in einer Anti-Aging-Gesellschaft“, sagt sie – und das im doppelten Sinne. Alter wird verdrängt, als Defizit gesehen, als Phase des Stillstands oder gar des Abbaus.

Dabei zeigt die Forschung: Das kalendarische Alter sagt wenig aus über kognitive oder emotionale Leistungsfähigkeit. Wer offen und lernfähig bleibt, sich seiner selbst bewusst wird, hat oft mit 50 oder 60 bessere Voraussetzungen für eine Neuorientierung als ein 25-Jähriger. Denn: Die Lebenserfahrung, das emotionale Repertoire, die Reflexionsfähigkeit – all das wächst mit den Jahren.

 

Own Your Age – Ein Aufruf zur Selbstgestaltung

Der zentrale Appell ihres Buches lässt sich auf eine einfache Formel bringen: Own Your Age. Übernimm Verantwortung. Gestalte. Nutze, was du gelernt hast. Öffne dich für Neues. Und: Lass dir helfen, wenn du es brauchst.

„Haben Sie Mut zur Veränderung – damit Sie später nicht über verpasste Chancen klagen müssen“, das ist die abschließende Empfehlung von Pasqualina Perrig-Chiello.

Was mich besonders beeindruckt hat: Ihre Haltung ist weder romantisierend noch resigniert. Sie fordert Selbstverantwortung ein – ohne dabei in Selbstoptimierungsrhetorik zu verfallen. Es geht nicht um ein perfektes Leben, sondern um ein bewusst gestaltetes. Mit Brüchen, mit Fragen und mit Zeit für sich.

Und darum, nicht länger zu warten, bis das Leben sich von selbst sortiert. Mach dich selbst auf den Weg – gerade wenn der nächste Lebensabschnitt vor dir liegt.

Wenn du das Thema vertiefen willst, empfehle ich dir das Buch von Pasqualina Perrig-Chiello: Own Your Age – Stark und selbstbestimmt in der zweiten Lebenshälfte. Die Psychologie der Lebensübergänge nutzen

 

Und wenn du selbst in einer Phase des Umbruchs bist und dir Begleitung wünschst – melde dich gerne bei mir.

Hier in meinem Online-Kalender kannst du ganz einfach einen unverbindlichen Termin vereinbaren.

Kostenloses Strategiegespräch Sabine Votteler

Ähnliche Artikel