Wenn Experten wie mein heutiger Interview-Gast über berufliche Umbrüche sprechen, klingt das manchmal nach einem theoretischen Konzept und nach klugen Ratschlägen. Doch – genau wie bei mir – ist bei Diplompsychologe Hans-Georg Willmann aus der Theorie ganz praktische, persönliche Realität geworden. In diesem Interview erzählt er, wie es für ihn selbst war, loszulassen, ohne genau zu wissen, was kommt. Der Coach für Veränderungsprozesse wanderte vor 6 Jahren aus. Berufliche Veränderung mit 50 – das ist unser Thema.
Vom Industriekaufmann zum Psychologen
Hans-Georgs Berufsweg begann bodenständig: Eine Ausbildung zum Industriekaufmann bei einem Global Player der Pharmabranche legte den Grundstein. Doch schon während der Schulzeit hatte sich gezeigt, wo sein Herz wirklich schlug: im Umgang mit Menschen. Er gab Nachhilfe, wollte helfen, begleiten, unterstützen. Der Wunsch, Menschen in ihrer Entwicklung zu fördern, ließ ihn nicht los.
Nach einem halben Jahr Backpacking durch Australien fiel dann seine Entscheidung für ein Psychologiestudium mit Schwerpunkt Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Freiburg. Der Fokus war schon früh klar, und doch wurde daraus kein klassischer, linearer Karriereweg.
Karriere in der Personalarbeit – und der Sprung in die Selbstständigkeit mit 35
Nach dem Diplom arbeitete Hans-Georg sechs Jahre im Personalwesen, zuletzt als Personalreferent. Ein sicherer Job, ein gutes Umfeld. Und trotzdem: Da war dieses nagende Gefühl. Der Wunsch nach Unabhängigkeit. Nach echter Autonomie. Danach, Entscheidungen selbst treffen zu können, ohne im Sandwich zwischen Management und Team zu stecken.
Mit 35 Jahren, für damalige Verhältnisse mit mutig wenig Berufserfahrung, machte Hans-Georg sich selbstständig. Er gründete ein Büro für Personalberatung und Coaching. Von Anfang an mit einem breiten Spektrum: von Personalauswahl über -entwicklung bis hin zur Freisetzung. Gerade im Outplacement wurde er zum gefragten Experten.
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Coaching und Bücher – zwei Standbeine, eine Berufung
Parallel zum Aufbau seines Geschäfts, folgte eine weitere, wie sich herausstellen sollte, weitreichende Entscheidung: Er wollte Bücher schreiben. „Kein Mensch macht das gleichzeitig zum Business-Start“, sagt er rückblickend und lacht. Doch genau das tat er. Zwischen Kundenterminen, Businessaufbau und Leben schrieb er sein erstes Buch. Inzwischen sind es über 30. Schreiben ist für ihn nicht nur Ausdruck, sondern auch Reflexion. Ein Mittel, um Veränderung zu fassen und anderen zugänglich zu machen.
Berufliche Veränderung mit 50: Was Auswandern mit Selbstständigkeit verbindet
Mit fast 50 Jahren traf Hans-Georg dann die vielleicht radikalste Entscheidung: Auswandern nach Australien. Kein Traum aus Jugendtagen, sondern eine ausgereifte, bewusste Wahl. Zwei Jahre Vorbereitung, unzählige bürokratische Hürden, und dann: Abflug, gerade noch rechtzeitig bevor das Visum verfallen wäre. Warum hat er es so lange hinausgezögert? Na ja, weil’s natürlich nicht einfach war.
Ein Schritt mit vielen Unbekannten. Das bedeutete, das deutsche Leben aufgeben. Ein funktionierendes Unternehmen, familiäre Nähe, soziales Netzwerk, all das ließ Hans-Georg zurück.
Viele neue Dinge kamen auf ihn und seine Frau zu, mit denen man sich auseinandersetzen musste: Eine andere Kultur, andere Systeme, Steuern, Gesundheitswesen, Genehmigungen, ein anderes Business-Mindset als in Deutschland.
Was ihn trug, war die gemeinsame Vision mit seiner Frau: Ein Leben in einem landschaftlich fantastischen Land und in einer Kultur, die offener, entspannter und naturverbundener ist.
Sie wollten es, ja. Doch das Tun ist ungleich schwerer. Der Start war hart. Kein Netzwerk, keine Kunden, eine neue Businesskultur. Hans-Georg sagt heute offen: „Das war ein echter Neuanfang.“
Den Traum von der Veränderung realisieren
Vergleichbar mit dem Sprung aus der Anstellung in die Selbstständigkeit oder einer anderen großen beruflichen Veränderung, war auch die Auswanderung erst mal nur ein Traum, eine Idee. Doch die braucht mehr, um zum Leben zu kommen.
Irgendwann darf man aufwachen und die Ärmel hochkrempeln, um das, was man sich wünscht auch umzusetzen. Eine gute Vorbereitung ist ein wichtiger Schlüssel, doch dann ist es nochmal eine andere Sache, wenn du dort bist. In der Selbstständigkeit, im ganz anderen Job, vielleicht in einem neuen Leben oder eben im vollkommen fremden Land.
Dann MUSST du die Dinge machen. Das ganze Organisatorische war extrem anstrengend, erzählt Hans-Georg. Aber auch das Klima. Und die fremde Kultur. Auch da gibt es Parallelen zum Wechsel aus der Anstellung in eine Selbstständigkeit. Es ist anstrengend.
Doch am Anfang zieht immer Reiz des Neuen. Das ist aufregend. Du hast Energie. Aber irgendwann kommt garantiert der Punkt, wo man die Entscheidung hinterfragt und anfängt zu vergleichen. Altes Leben und neues Leben. Das ging auch Hans-Georg so. Dann kommen auch mal Zweifel an dem, was du gemacht hast.
Das ist normal. Das ist die Veränderungskurve, die man durchläuft, wenn man eben in einem Veränderungsprozess ist. Da durchzugehen und nicht in die Ablehnung zu gehen, sondern offen und in der in der Selbstreflektion zu bleiben, das ist eine Herausforderung, ja.
Berufliche Veränderung mit 50 – Unsicherheit als Chance
In der Psychologie spricht man von Übergangsphasen. Hans-Georg hat sie gelebt – mehrfach. Und am krassesten wohl als er mit knapp 50 auswanderte. Er weiß, wie sich dieser Nullpunkt anfühlt: manchmal wie ein freier Fall, aber auch wie eine befreiende Leere. Wenn alte Sicherheiten wegfallen, entsteht Raum für etwas Neues. Wenn du bereit bist, das Chaos zuzulassen.
Er spricht nicht von der Midlife Crisis. Für ihn ist es der Moment, an dem man Bilanz zieht: Was habe ich gelebt? Was will ich noch? Wo habe ich mich vielleicht selbst belogen, und woran will ich wieder anknüpfen?
Hans-Georgs Botschaft: Solche Umbruchphasen sind kein Versagen, sondern ein Weckruf. Sie fordern uns auf, Verantwortung für uns und unser Leben zu übernehmen. Und wir dürfen uns fragen: Was ist mir für mein Leben wichtig und wie schaue ich in 5 oder in 10 Jahren auf diesen Zeitpunkt und diese Entscheidung oder Nicht-Entscheidung zurück? Wenn ich nicht das gemacht habe, was ich in mir gespürt habe.
Hans-Georg weiß, wie es sich anfühlt, wenn das Alte nicht mehr trägt und das Neue noch nicht sichtbar ist. Und er weiß, dass man diesen Zustand nicht „wegcoachen“ kann.
Es braucht Zeit, Reflexion und die Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten. Und: Viele Gespräche und Hilfe anzunehmen. Denn das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern der Stärke.
Fazit: Veränderung ist nicht genau planbar – aber gestaltbar
Auch Hans-Georgs Geschichte zeigt, dass es keine perfekten und leichten Übergänge gibt. Du wirst hier keine schnellen Lösungen finden, aber dafür wieder einmal ein echtes Beispiel, dass es sich lohnt, den eigenen Weg zu gehen.
Hans-Georg sagt: Genau wie vor 7 Jahren bin ich auch heute davon überzeugt, dass die Möglichkeiten, etwas Neues zu machen so gut wie nie sind. Wir erleben einen disruptiven Wandel der Welt und gerade deswegen entstehen Chancen.
Deshalb: Wenn du eine Anfangsidee für eine Selbständigkeit oder für eine Veränderung hast, dann geh‘ in kleinen Schritten los, so dass auch das eigene Sicherheitsbedürfnis hinterherkommt. Bereite dich vor. Schnuppere in das neue Leben hinein.
Und falls du gerade in der Situation steckst, dass du auf zahlreiche Bewerbungen keine positive Antwort bekommst, dann berücksichtige folgende Tipps.
Realistisch bleiben, Perspektiven wechseln – Tipps für deinen Neustart
Analysiere dein Potenzial und schätze deine Chancen realistisch ein
Setze realistische Ziele. Nur weil wir zum Beispiel eine bestimmte Position einmal hatten, bedeutet das nicht automatisch, dass wir sie wieder bekommen. Aber auf der anderen Seite mache dir auch deinen eigenen Wert ganz klar bewusst. Um hier zwischen Selbstüberschätzung und Selbstunterschätzung ein realistisches Bild zu bekommen, ist eine Analyse des eigenen Potenzials wichtig.
Versetze dich in die Situation deines Gegenübers
Desweiteren musst du lernen, aus der Perspektive des Arbeitgebers zu definieren, was dieser sucht und deine Qualitäten entsprechend darauf ausgerichtet kommunizieren. Und seine eventuellen Bedenken und möglicherweise auch Vorurteile das Alter betreffend solltest du vorwegnehmen und genau diese entkräften.
Wenn du so vorgehst, dauert es wahrscheinlich länger als mit 30 bis du wieder einen Job findest, aber es wird klappen.
Wenn du in einer beruflichen Krise steckst und einen Sparringspartner brauchst oder in deinem Unternehmen Unterstützung bei Personalauswahl und -outplacement brauchst, dann findest du Hans-Georg hier:
Und wenn du selbst in einer Phase des Umbruchs bist und dir Begleitung wünschst – melde dich gerne bei mir.
Hier in meinem Online-Kalender kannst du ganz einfach einen unverbindlichen Termin vereinbaren: