Aussteigen als Manager

Aussteigen als Manager


Aussteigen als Manager ist wie ein Sprung aus dem Flugzeug. Du verlierst kurz den Boden, doch dann kommt die Freiheit.

In unserer zweiten gemeinsamen Podcast-Episode erzählt Luk Smeyers die Fortsetzung vom letzten Mal, nämlich, wie das dann genau ablief, nachdem er nicht mehr verbergen konnte, dass er nicht im gleichen Boot saß wie die Investoren. Wie fühlte er sich dabei? Welche Gedanken gingen ihm durch den Kopf, was hat er in der Nachbetrachtung richtig gemacht und was würde er heute anders machen?

Viele Tipps für alle, die als Manager aussteigen wollen.

 

HÖRE HIER DIE EPISODE:

 

Hier kommt das Protokoll

Sabine

Hallo Luk, herzlich willkommen zu unserem zweiten Gespräch. Wir haben ja in Episode 9 schon miteinander gesprochen, und da haben wir über die Entwicklung deiner Karriere als Personalvorstand geredet und wie du dich immer mehr von deiner Identität in dieser Position entfernt hast, bis hin letzten Endes zum Ausstieg.

Du hast erzählt, dass nicht die Inhalte die wesentliche Rolle gespielt haben, denn den Job an sich mochtest du ja am Ende immer noch. Doch die Rahmenbedingungen haben sich mit den Jahren immer mehr verändert. Und du hast dich als Mensch auch verändert, so dass das irgendwann einfach nicht mehr zusammenpasste.

Das ist ein Phänomen, das uns gerade in der sogenannten zweiten Lebenshälfte, der zweiten Karrierehälfte, häufiger begegnet. Und ja, bei dir ging das dann bis zu dem Punkt, als du realisiert hast, dass das nicht mehr der richtige Weg für dich ist. Und das war genau der Punkt, als dich dieser Investor fragte: Luk, are you on the bus?

Also, liebe Hörerin, lieber Hörer, wenn du dir die Episode 9 noch nicht angehört hast und dich interessiert, wie das damals gelaufen ist bis zu diesem Punkt: “Are you on the bus?”, dann hör dir die Episode 9 noch an.

 

Aussteigen als Manager – was brachte den Stein ins Rollen?

Ja, Luk, du warst tatsächlich nicht mehr „on the bus“ oder wie man vielleicht im Deutschen eher sagt, nicht mehr im gleichen Boot. Und was uns jetzt brennend interessiert ist, wie es dann weiterging. Also an welcher Stelle hast du dann tatsächlich gesagt: Das war’s jetzt!

Wie ist das abgelaufen? Was hast du dabei gedacht? Wie hat sich das angefühlt? Und so weiter, weil die meisten in einer solchen Situation scheuen sich ja vor diesem Schritt. Viele denken jahrelang drüber nach, aber sie machen den Schritt nicht.

Sie trauen sich einfach nicht. Und zum Aussteigen als Manager, da gehört ja auch eine ganze Menge Mut dazu. Also uns interessiert oder mich interessiert: Wie war das für dich? Weil du erzähltest in Episode 9, dass sich die Unzufriedenheit mit dem Job bei dir über viele Jahre hinweg aufgebaut hat. Aber das hast du ja erst im Nachhinein erkannt. Doch als du drinstecktest in der Situation, an welchem Punkt hast du dir ernsthaft überlegt zu kündigen bzw. welche Ereignisse spielten dabei eine Rolle?

Was hat den Stein ins Rollen gebracht?

Luk

Ja, so wie ich letztes Mal auch erzählt habe, hatte ich vor vielen Jahren ein Burnout und war dort in Therapie. Und der Therapeut, das war ein super toller Therapeut, hat mich eigentlich mehr oder weniger auf schwierige Situationen vorbereitet. Ich hatte diese schwierige Situation eigentlich gar nicht auf dem Radar. Das ist bei mir irgendwie so, wie du sagst, entstanden über viele Jahre. Aber was ich im Nachhinein dann festgestellt habe, war, dass dieser Moment, wo der Private Equity Investor fragte: Are you on the bus?, für mich eine gigantische Erleichterung war.

 

Als klar war, dass er aufhören wird, war die Erleichterung riesig

Ich habe dann in diesem einen Moment, das waren drei, vier, fünf Sekunden, das Gefühl gehabt: Okay, hier fängt für mich etwas ganz Neues an. Und ich hatte darüber überhaupt nicht nachgedacht. So wie wir es jetzt machen, darüber sprechen. Ganz viele andere Menschen, Kollegen, Freunde, Bekannte, die auch durch diese Phase gegangen sind, haben alle eine bestimmte Erfahrung gehabt. Und meine Erfahrung war diese extreme Erleichterung. Das war für mich die Freiheit, die mentale Freiheit, die ich brauche, um gut zu sein in meinem Fach oder in meinem Beruf und kreativ, wodurch ich gut funktioniere.

Sabine

Okay, okay, aber ich muss dich stoppen, weil du gehst mir zu weit in ein anderes Thema rein. Also noch mal zurück. Ich fragte ja nach diesem Ereignis, das den Stein ins Rollen gebracht hat. Es war also bei dir tatsächlich diese eine bedeutsame Frage dieses Investors: Are you on the bus? Bei den meisten ist es ja so, dass es ein Event gibt, ein Ereignis, eine Sache im Außen, die dann den Stein ins Rollen bringt, die dann das Ganze praktisch triggert, die, vielleicht kann man auch sagen, ja, das Fass zum Überlaufen bringt.

Und bei dir war das tatsächlich dieser eine Satz. Und das ist ja auch sehr oft tatsächlich so, dass es nicht immer die großen Dinge sind. Bei manchen mag es vielleicht irgendein riesengroßer Verlust von irgendjemandem oder irgendetwas sein oder auch eine Kündigung oder so was in der Art. Aber bei vielen ist es auch einfach eigentlich eine ganze Kleinigkeit, die dann auf einmal der Auslöser ist. Und das war bei dir diese eine Frage, dieser eine Satz, genau diese eine Frage.

Luk

Ja, und diese Frage war für mich wie ein Rettungsring, der mir zugeworfen wurde. Und ich habe ihn festgenommen und bin irgendwie weggeschwommen.

Sabine

Okay. Wie ist es dann abgelaufen? Ich stelle mir so vor, du sitzt da in diesem Meeting-Raum oder in dem Büro von dem Investor und der fragt dich das, du zögerst und er denkt sich vielleicht: alles klar, da passt irgendwas nicht mehr. Wie ging’s denn dann weiter für dich? Viele haben ja dann die tollsten Gefühls-Achterbahnen, die sie durchleben, und viele werden dann sofort zum Schreibtisch geleitet und dürfen direkt noch die nötigsten, privatesten Sachen zusammenpacken und müssen dann gleich gehen. Wie ist es bei dir dann gelaufen?

 

Aussteigen – Zweifel und weich fallen – das Arbeiten nach der Kündigung

Luk

Ja, natürlich stellt man sich dann Fragen. Was passiert jetzt mit mir? Wie geht es jetzt weiter? Man fängt sofort an: Hab ich da was falsch gemacht oder nicht? Also diese Fragen sind natürlich alle sofort gekommen. Ich hatte einen Vorteil. Das war, dass er mich gebraucht hat und ich habe dann von ihm sofort das Angebot bekommen: lass uns noch sechs Monate weiterarbeiten. Ich war Vorsitzender vom Europa-Betriebsrat und so weiter und so fort.

Und er hat mich natürlich gebraucht, um das alles vorzubereiten. Es war Anfang des Jahres und es war alles geplant für Juni, diese Bekanntmachung der Umstrukturierung, und ich konnte sechs Monate weiterarbeiten, aber immer mit diesem erleichterten Gefühl. Das waren für mich eigentlich sechs interessante Monate, obwohl ja das, was dort passieren würde, gar nicht mehr mein Ding war und ich ganz am Ende auch nicht mehr einbezogen war, dann diese Kündigungen bekannt zu machen, diese Verhandlungen zu führen und so weiter und so fort.

Also die Erleichterung war da. Ich habe die Vorbereitung mitgemacht. Das fand ich dann auch wieder rein karriere- oder rein jobmäßig super interessant mit solchen Private Equity Leuten zusammenzuarbeiten, denn das hatte ich noch nie gemacht, und ich wusste, im Juni ist es zu Ende.

Sabine

Das heißt, du hast nicht gesagt, Ihr könnt mich jetzt mal alle von hinten sehen und ich kündige, sondern dieser Investor hat dir einen Deal vorgeschlagen, nehme ich mal an. Der hat gesehen: Okay, mit dem Mann werden wir es wahrscheinlich schwer hinkriegen. Der steht nicht hinter dieser erneuten Umstrukturierung. Aber er brauchte dich und das wusstest du. Das heißt, habt ihr dann direkt in diesem “Bus-Gespräch” sozusagen einen Deal gemacht oder irgendwas beschlossen? Oder wie ist das denn abgelaufen?

 

Aussteigen als Manager – das klärende Gespräch – ganz entspannt

Luk

Nein, da wurde kein Deal gemacht, aber er hat sofort gesagt (das war alles innerhalb von 60 Sekunden):  „Okay, you’re not on the bus. Let’s make a deal, let’s continue to collaborate a certain period and then we’ll see.” Und ich wusste natürlich, dass sehr viele Rückstellungen gebildet worden waren, um diese Umstrukturierung zu machen. Und ich habe mich eigentlich ganz ruhig gefühlt.

Wichtig hier zu sagen ist, dass in diesen 60 Sekunden überhaupt kein Gespräch war über erstens kündigen oder du fliegst raus, es ist Schluss. Es war nicht aggressiv und es war überhaupt nichts im Spiel, in diesem Gespräch war keine Rede über Geld oder Abfindung, oder so. Also ich hätte genau die gleiche Entscheidung getroffen damals ja zu sagen, dass ich raus war, wenn es kein Geld gegeben hätte, wenn es viel Geld gegeben hätte. Das hat da keine Rolle gespielt. Und ich weiß auch von diesen viele Gesprächen, die ich mit anderen Menschen gehabt habe, dass dieses Geld eine sehr große Rolle in solchen Entscheidungen spielt. Aber das war für mich überhaupt nicht im Spiel.

 

Im Moment der Entscheidung für den Ausstieg aus dem Management war Geld egal

Sabine

In dem Moment war es nicht im Spiel, weil das eine mehr oder weniger spontane intuitive Reaktion von beiden war. Und das sagt man ja auch, wenn Angst ins Spiel kommt, zum Beispiel eben finanzielle Sorgen und so weiter, dann ist es niemals die Intuition, weil die Intuition ist nie negativ, die Intuition ist spontan und nach vorne gerichtet. Das war, wie man so schön sagt, das Bauchgefühl, das da einfach sich nicht mehr zurückhalten hat lassen.

Luk

Und ja, der Typ hat das natürlich nicht gewusst. Aber, wie ich letztes Mal erzählt habe, war das natürlich eine Entwicklung über viele Jahre, die dann dort irgendwie eine Klimax hatte. Und das wusste er natürlich nicht. Aber für mich war das dann der große Erleichterungsmoment, wie ich gesagt habe, der Rettungsring, endlich das Verlassen der Tretmühle.

Da kamen viele Sachen für mich zusammen, auch meine mentale Freiheit. Natürlich habe ich in diesen 60 Sekunden nicht all diese Sachen überlegt, aber im Nachhinein war es das, was dort passiert ist.

 

Wenn du als Manager aussteigst – Wie erklärst du das den anderen?

Sabine

Jetzt ist ja aussteigen als Manager nicht so weitverbreitet. Wie hat denn dein Umfeld reagiert? Also, wann hast du das wem erzählt und was hast du erzählt? Man sagt ja auch, was war deine Story dazu? Wenn ich mit meinen “Managers in Transition” arbeite, da habe ich ja einen Kurs für Menschen, die eben in dieser Phase sind, dann haben wir unter anderem eben auch dieses Element der neuen Story, der neuen Narrative drinnen. Also was erzähle ich anderen jetzt und was erzähle ich auch mir selber tatsächlich?

Also es bedeutet nicht, ich mache mir selbst etwas vor, aber ich entwickle eine in sich schlüssige Geschichte, warum das jetzt genau der richtige Weg für mich ist, warum es eigentlich gar nicht anders kommen konnte, als es jetzt gekommen ist und warum es absolut Sinn macht. Weil es natürlich für einen selbst gut ist. Für den Selbstwert, für das Selbstwertgefühl und auch für andere einfach die ganze Situation erklärt, weil ja sicherlich viele denken: Ja, um Himmels Willen, sorry, hat der noch alle Tassen im Schrank oder was macht der jetzt eigentlich? Wieso hört er jetzt in diesem tollen und gut bezahlten Job auf? Wie war das bei dir? Wem hast du es erzählt oder auch nicht erzählt? Wann hast du es erzählt? Was ist da in dir vorgegangen?

 

Der Plan: Sabbatical und studieren

Luk

Ja, also erstens hatte ich natürlich die Zeit, mein, so wie du sagst, Narrativ vorzubereiten, weil ich natürlich noch 6 Monate arbeiten musste. Und das waren so oder so super interessante Monate, wo ich auch im Nachhinein sehr viel dazu gelernt habe.

Also ich hatte Zeit und was dann bei mir entstanden ist, ganz schnell ist, ich werde ein Sabbatical vorbereiten und ich möchte auch wieder – das war immer so ein Traum, den ich hatte – ich möchte studieren wieder irgendwo, an einer Business School, irgendwo auf der Welt.

Und alle Gedanken, die da gekommen sind, die waren so positiv, diese Befreiung war so positiv, dass Leute das auch sofort gesehen haben. Der Luk ist irgendwie befreit, ist zufriedener, er strahlt, weil natürlich über Jahre hin man auch gesehen hat, er hat immer mehr Stress, ist immer mehr frustriert, immer mehr unzufrieden, und dann plötzlich war das alles irgendwie weg.

Meine externe Welt hat diese Fragen nicht gestellt: Was ist mit dir los? Was ist mit dir passiert? Wieso machst du das? Du hast ja einen tollen Job, bist gut bezahlt. Wieso machst du ein Sabbatical? Das ist doch verrückt. Diesen Stress hatte ich nie, und ich weiß, dass das ein Stress ist, den sehr viele Menschen immer wieder bekommen und der es dann auch extrem schwierig macht, diese Entscheidung zu treffen.

 

Keine Ängste und Hürden von dem Aussteigen als Manager?

Sabine

Hattest du denn wirklich keinerlei Ängste und keinerlei Hürden, die du da überwinden musstest?

Luk

Nee, eigentlich nicht. Auch nicht finanziell, weil das wurde dann auch natürlich ziemlich schnell geklärt und wie gesagt, ich hatte Pläne, ziemlich schnell, hatte eigentlich viele Träume, die wahrscheinlich auch irgendwie schon bei mir drin waren. Und die sind dann auch plötzlich so wie aus einem Zauberhut rausgekommen. Plötzlich hatte ich mehrere Rettungsringe und die haben mir natürlich sehr geholfen. Ich muss auch zugeben, diese ersten Monate waren nicht einfach.

Man stellt sich die Frage: Habe ich was falsch gemacht? Was ist hier genau gelaufen? Wieso kriege ich diese Frage: You’re not on the bus? Das war für mich professionell auch sehr schwierig.

Sabine

Das ist jetzt interessant. Du sagst, du hattest zwar keine Ängste und nicht so die großen Hürden, weil das Umfeld hat ganz gut reagiert.

Du warst dir relativ schnell klar, wie es weitergehen wird. Die nächsten Monate zumindest. Und man muss ja dazu sagen, du hattest auch ein ganz ordentliches Paket bekommen, denke ich. Von daher erst mal auch keine finanziellen Sorgen und konntest dich da relativ gut zurücklehnen. Also keine Ängste. Aber doch so ein bisschen was von Selbstzweifel hör’ ich da, oder?

 

Aussteigen als Manager nach so vielen Jahren – da geht etwas Wichtiges zu Ende

Luk

Ja genau. Es war zwar keine Kündigung, aber irgendwie ist das natürlich eine Art einer Kündigung, die sich in einen Weihnachtsmann oder so verkleidet hatte. Aber ja, es war zu Ende und ich habe auch das Gefühl gehabt (ich war damals 47 oder 48): das war’s dann. So, diese Gefühle hatte ich. Also einerseits hatte ich diese positiven Rettungsring-Gefühle: oh, jetzt bin ich frei und ich kann Sachen machen, die ich schon immer machen wollte.

Andererseits hatte ich professionelle Fragen und Unsicherheit und wusste natürlich auch nicht, wie es dann professionell weitergehen könnte. Und darüber werden wir ja nächstes Mal reden, wie es dann weiterging. Aber ja, diese Zweifel, all das war natürlich 25 Jahre lang mein Fach, mein Leben. Ich habe mich immer mit HR identifiziert und ich habe da richtig tolle Jobs gehabt, gigantisch tolle Stories erlebt und mit unfassbar erfolgreichen Teams zusammenarbeiten können.

Und plötzlich war das natürlich alles weg. Das war nicht so leicht.

Sabine

Ich wollte noch mal zurück auf dieses finanzielle Polster, das du ja ganz offensichtlich hattest oder bekommen hast. Das ist natürlich etwas, wo jetzt vielleicht viele denken: na ja, okay, wenn es natürlich so läuft, das ist ja die beste Ausgangssituation, die man sich wünschen kann, was ja auch tatsächlich so ist. Und deshalb, wenn so was in Aussicht gestellt werden sollte und man sowieso nicht mehr happy ist, dann denke ich, sollte man da durchaus zugreifen.

Aber es gibt ja auch welche oder genügend, die dann nicht lange von dem leben können, was sie dann vielleicht noch von der Firma bekommen. Und da treten dann halt auch diese finanziellen Ängste noch mehr in den Vordergrund. Meine Erfahrung ist allerdings, dass es oft nicht so ist, dass die Leute kein Geld haben. Man hat zwar das Gefühl: jetzt verdiene ich nichts mehr. Dann bricht im schlimmsten Fall ein richtig großes Einkommen weg und sicher ist es nicht so einfach, weil natürlich das Ersparte immer weniger wird, wenn man davon leben muss.

Aber dennoch ist ja bei vielen Vermögen vorhanden. Und trotzdem kommen dann diese Existenzängste hoch und nehmen überhand. Und meine Erfahrung ist, also selbst wenn man jetzt sagt, da hat es der Luk ja richtig einfach gehabt und wenn ich noch ein Jahr bezahlt werden würde, na ja, dann wäre das ja überhaupt gar kein Thema.

 

Mach‘ die Entscheidung nicht vom Finanziellen abhängig

Ich glaube tatsächlich, du hast was Wichtiges gesagt, dass an dem Punkt, wo es in diesem Gespräch um diese „Bus-Geschichte“ ging, du das einfach entschieden hast. Und dass du zu dem Zeitpunkt nicht überlegt hast und auch nicht wusstest, wie es finanziell weitergeht. Hättest du anders geantwortet, wenn du mehr finanziellen Druck gehabt hättest? Aber ich glaube eigentlich nicht, weil die Entscheidung in dem Moment nichts mit finanziellen Mitteln zu tun hatte und finanziellen Rücklagen. Ich denke, wenn man jetzt nicht gerade von der Hand in den Mund lebt, dann lohnt sich das immer zu sagen: Okay, es geht auch mal eine Zeit lang ohne das Einkommen. Selbst wenn ich jetzt nicht das riesen Paket von der Firma bekomme. Wie siehst du das?

Luk

Ja, das ist genau so. Diese drei Sekunden dort “Are you on the bus?” und der Schluss, der Outcome daraus: ich bin weg, das waren nur ein paar Sekunden und in diesen Sekunden habe ich über Geld überhaupt nicht nachgedacht. Das war einfach: ich will nicht mehr. Punkt. Und ich will meine Freiheit zurück.

Und hier kommt plötzlich der Rettungsring. Er liegt jetzt hier vor mir auf dem Tisch. Punkt. Ende. Nicht über Geld nachgedacht. Was natürlich ganz oft passiert, und das haben wir beide, glaube ich, bei vielen Menschen gesehen, ist, dass natürlich diese Entscheidung, so wie du sagst, mit Geld und Einkommen und Weiterleben eine Weile ohne Einkommen vielleicht, das wird extrem vermischt und das verstehe ich auch.

Aber das macht so eine Entscheidung viel schwieriger und eben so langwierig und so dieses Hin und Her ist, weil man immer wieder denkt: Oh mein Gott, nein, das kann ich nicht machen. Wie soll das dann gehen? Und deshalb wird das dann oft viel zu lange weitergezogen und noch mal und noch mal überlegt und wird eigentlich so wie es, würde ich sagen, bei mir passiert ist, eher organisch zustande kommen.

Es war ein Prozess über viele Jahre und da war irgendwie eine Klimax, ein Moment of Truth. Geld und Einkommen war nicht im Spiel. Null. Im Nachhinein bin ich sehr zufrieden, dass es so gelaufen ist, dass das nicht vermischt wurde.

Ich habe darüber nicht nachgedacht und das ist sicher ein Rat, glaube ich, den wir beide mitgeben können: Man soll eigentlich versuchen, die zwei auseinander zu ziehen. Nicht einfach, aber es ist extrem wichtig.

Sabine

Ja, okay. Was würdest du sagen, hast du aus dem Ganzen gelernt, oder was ist sozusagen heute dein Schluss aus dieser heutigen Episode, deine Hauptempfehlung.

 

Erst die Disconnection, dann der Ausstieg als Manager

Luk

Du hast es erlebt, ich habe es erlebt, viele von meinen Kollegen, Freunden, Bekannten, Kunden haben es erlebt. Und was ich immer wieder sehe ist, dass einerseits gibt es da diesen Prozess von Disconnection, wie ich immer sage. Mehr Frust, mehr schwierige Bedingungen und mehr Unzufriedenheit einerseits und andererseits dann das Aussteigen an sich.

Meine Empfehlung oder mein Rat wäre, dieser Moment, in dem man so unzufrieden ist darüber, was man dort macht oder über die Bedingungen, unter denen man arbeitet, kommt immer wieder. Ich glaube bei 90 Prozent. Mal stark, mal nicht so stark, mal aggressiv, mal nicht aggressiv. Aber er kommt. Und meine Empfehlung ist, auf Englisch gesagt, have it on your radar. Hab’s auf deinem Radar, weil diese Ups und Downs, dieser Zyklus, das ist auch ein Lebenszyklus. Man wird älter, man stellt Dinge in Frage, man will nicht mehr alles machen usw. und so fort.

Ich hatte es damals auch nicht so sehr auf meinem Radar und ich habe das eigentlich zu viel passieren lassen, wodurch ich dann auch irgendwann unterwegs mein Burnout hatte und das hätte eigentlich nicht passieren dürfen. Ich würde sagen: Hab es bitte auf deinem Radar, dass es so weit kommen kann. Es ist nicht schlimm, es ist normal. Man entwickelt sich, Organisationen entwickeln sich, Teams entwickeln sich, und es kommen Momente, wo man sich in Frage stellt, und das ist ganz normal.

Sabine

Also, du willst damit sagen, wenn ich es richtig interpretiere, rechne einfach damit. Ja, und glaube nicht daran, dass das Leben und deine Karriere einfach so weiter dahinfließt bis irgendwann zur seligen Rente, sondern rechne damit, dass mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann auch bei dir der Punkt kommen wird, wo du sagst: Ich kann nicht mehr. Dann überrascht es dich nicht so aus dem Nichts und erwischt dich nicht so kalt.

Und dann kannst du sagen ok, I knew it, ich wusste es schon und ich habe mir auch schon verschiedenste Dinge angeguckt und angehört und den Podcast von Sabine gehört. 😉

Luk

Es darf dich nicht überraschen. Das finde ich eine gute Aussage.

Sabine

Genau. Und deshalb bin ich vielleicht jetzt nicht so drauf vorbereitet, dass ich sofort den Plan B aus der Tasche ziehe, aber doch zumindest so, dass es mich nicht komplett aus der Bahn wirft.

Luk

Genau, genau, weil diese Events, diese Trigger, die passieren immer wieder und die hat man auch nicht im Griff. Es kommt ein neuer Chef und das ist nicht mein Kerl oder es funktioniert einfach nicht. Oder das Unternehmen wird verkauft oder übernommen oder gesplittet oder was auch immer. Das sind dann die Unternehmensbedingungen, aber es gibt die persönlichen Änderungen und Entwicklungen, da gibt es Hunderte von möglichen Triggern, also sei vorbereitet.

Sabine

Ja, gutes Schlusswort: Sei vorbereitet. Vielen Dank fürs Zuhören. Vielen Dank an dich, Luk für unsere zweite gemeinsame Episode und in der nächsten Episode von “Ausgetauscht”, also mit Luk und mir, werden wir dann über Luks Sabbatical sprechen und was er da so alles angestellt hat und wie er diese Zeit genutzt hat. Und natürlich auch mit ganz vielen Learnings, wie du so eine Auszeit nutzen kannst. Aber auch Tipps, wie du Dinge umsetzen kannst, wenn du vielleicht keine Auszeit machen kannst.

Also sei gespannt, in der Episode Nr. 23 werden wir über dieses Sabbatical sprechen. Ich freue mich, wenn du wieder rein hörst. Bis bald.

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