Vor wenigen Tagen wurde ich von der Wirtschaftswoche zu einem Live-Expertentalk eingeladen – gemeinsam mit einem Headhunter der internationalen Personalberatung Russell Reynolds Associates. Während er die Perspektive der Unternehmen vertrat – also derjenigen, die heute Führungskräfte suchen –, war ich eingeladen, die Seite der Betroffenen zu beleuchten: Menschen in der Lebensmitte, meist um die 50, die spüren, dass sich beruflich etwas verändern muss oder bereits verändert hat. Im Mittelpunkt stand eine Frage, die viele bewegt: Wie gelingt eine Bewerbung mit 50 als Führungskraft – in einem Arbeitsmarkt, der sich radikal verändert hat?
Zwei Blickwinkel, ein Thema: Was zählt heute wirklich, wenn man sich als erfahrene Führungskraft neu auf dem Arbeitsmarkt positionieren will?
Das Interesse war überwältigend. Schon im Vorfeld wurden zahlreiche Fragen eingereicht, im Live-Chat kamen noch mehr dazu. Es war schnell klar: Dieses Thema bewegt viele.
Deshalb nehme ich den Faden hier auf. Ich teile die wichtigsten Fragen aus dem Talk und bringe beide Sichtweisen ein:
- die strukturelle, wirtschaftsorientierte Sicht des Headhunters und seiner Auftraggeber,
- und die individuelle, persönliche Sicht aus meiner Arbeit mit Führungskräften in der beruflichen Neuorientierung.
Vielleicht stehst du selbst gerade an diesem Punkt. Vielleicht fragst du dich:
Wie bewerbe ich mich heute überhaupt noch? Wer will mich noch? Und was genau bringe ich eigentlich mit, das heute wirklich zählt?
Im Folgenden bekommst du die Antworten auf die meistgestellten Fragen.
Folge als Video anschauen:
1. Welche Chancen habe ich mit 50+ auf dem Arbeitsmarkt – besonders als Führungskraft?
Die gute Nachricht zuerst: Ja, es gibt Chancen. Auch mit 50+ und auch oder gerade in Top-Positionen.
Das war sowohl meine Perspektive als auch die meines Co-Experten im Gespräch mit der Wirtschaftswoche.
Aber: Die Spielregeln haben sich verändert. Wie man sich früher beworben hat, funktioniert heute nicht mehr. Hinzu kommt, dass viele aus der Zielgruppe sich vor Jahrzehnten zum letzten Mal oder noch überhaupt nie aktiv beworben haben. Sie wurden gefunden, angesprochen, abgeworben.
Was du wissen musst:
Mit zunehmendem Alter wird der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht unmöglich, aber diffiziler.
Nicht, weil du weniger kannst oder Menschen ab 50 grundsätzlich weniger gefragt sind, sondern weil die Mechanismen sich verändert haben:
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- Karrierewege verlaufen heute schneller, das heißt, um eine gehobene Position zu besetzen, muss man nicht erst mal 50 werden, damit man überhaupt glaubwürdig die Erfahrung aufgebaut hat.
- Algorithmen & KI sortieren in Bewerbungsprozessen oft ohne echtes Verständnis für Erfahrung, Kandidaten aus, weil auf den ausgetretenen Pfaden die Masse an Bewerbungen riesig ist. In Zeiten von Zeitungsartikeln war das anders.
- Alter wird selten offen adressiert, aber häufig implizit aussortiert, schlicht ein einfaches Kriterium, um schon mal die Spreu vom Weizen zu trennen, auch wenn dabei so manche Perle mit verloren geht. Es sind ja genügend übrig.
Trotzdem suchen viele Unternehmen heute gezielt nach Menschen mit Substanz. Erfahrung, Überblick, Beurteilungsvermögen, Souveränität, Führung in der Krise, all das kannst du mitbringen. Wenn du dich neu positionierst, solltest du dich nicht auf Wissen und Fähigkeiten reduzieren, sondern zeigen können, warum genau deine Erfahrung für diese Position heute wertvoll ist.
2. Was zählt heute bei einer Bewerbung ab 50? Und warum reicht der Lebenslauf nicht mehr aus?
Einer der größten Denkfehler bei der Bewerbung ab 50 ist, zu glauben, dass Erfahrung für sich spricht. Ja, genau deine Erfahrung ist wertvoll, aber nicht automatisch. Das heißt, zu glauben, dass „doch alles im Lebenslauf steht“ und daraus doch klar wird, wieviel man in seiner Karriere gemacht und erreicht hat, ist ein Trugschluss.
Das ist lediglich eine Sammlung, und oft werden nur Titel, Organisationen, Verantwortungsbereiche, Aufgaben und Tätigkeiten genannt. Achte darauf, jeweils zu benennen, was du erreicht und bewirkt hast.
Und dennoch springt der Lebenslauf viel zu kurz:
- Er bildet Stationen ab, aber keine Entwicklung.
- Er zeigt Qualifikationen, aber keine Motivation.
- Er listet Aufgaben auf, aber keine Wirkung.
Was dir stattdessen Pluspunkte bringt:
- Deine Positionierung als Problemlöser:in, nicht nur als Fachexperte
- Deine Haltung im Bewerbungsprozess, nicht als Bittsteller, sondern als Gesprächspartner auf Augenhöhe
- Deine Fähigkeit, eine überzeugende Geschichte zu erzählen, warum du die richtige Besetzung bist
Der Headhunter im Talk war da sehr klar: „Erzählen Sie nicht einfach Ihren Lebenslauf nach.“
Sondern erzähle, warum du jetzt genau da hinwillst, wohin du dich bewirbst. Welche Probleme du dort lösen kannst. Welche Herausforderungen du schon gemeistert hast. Und wie das zusammenpasst.
Kurz gesagt: Heute gewinnt nicht, wer am meisten gemacht hat, sondern wer am besten erklären kann, warum das für morgen relevant ist.
3. Wie finde ich heraus, was ich beruflich gut kann, wenn ich selbst daran zweifle?
Gerade in beruflichen Umbruchphasen beobachte ich immer wieder, dass Menschen mit beeindruckender Karriere plötzlich sehr unsicher sind. Der Selbstwert ist angeknackst, denn die letzten Jahre im Unternehmen waren oft zäh, sinnentleert oder voller Fremdbestimmung. Vielleicht wurde man auch gekündigt. Und plötzlich stellt man sich eine Frage, die einem früher überhaupt nicht in den Sinn gekommen wäre: „Was kann ich eigentlich wirklich?“
Zwei Ansätze, die ich in meiner Arbeit immer wieder nutze:
1. Die Lebenslinien-Übung
Du gehst deine Biografie durch – beruflich wie privat – und sammelst prägende Ereignisse, die entweder besonders positiv oder auch negativ für dich waren. Für jedes dieser Ereignisse stellst du dir Fragen wie:
- Was genau habe ich da getan?
- Welche Fähigkeiten habe ich dabei genutzt, bewusst oder unbewusst?
- Wer oder welche Rahmenbedingungen haben eine Rolle gespielt?
- Warum ist dieses Erlebnis heute noch bedeutsam für mich?
Wenn du das mit 20 Ereignissen machst, erkennst du Muster.
Wahrscheinlich nicht auf den ersten Blick, aber beim 2. oder 3. Hinschauen. Es geht dabei um übertragbare Fähigkeiten, die sich immer wieder durchziehen, quer durch Stationen, Rollen und Lebensphasen.
2. Externe Spiegelung
Frag gezielt Menschen, die dich gut kennen:
„Wofür würdest du mich um Rat fragen?“
„Was würdest du sagen, kann ich besonders gut?“
Wir selbst haben oft blinde Flecken, gerade bei den Dingen, die uns leichtfallen. Was für uns selbstverständlich ist, ist oft genau das, was uns auszeichnet.
Dieser Blogbeitrag gibt dir hierzu weitere wichtige Insights (klick!)
4. Was sind die besten Strategien für die Jobsuche mit 50, und was funktioniert nicht mehr?
Was mit Ü50 nicht mehr funktioniert (oder nur sehr eingeschränkt):
- Massenbewerbungen auf Online-Stellenanzeigen
- Standard-Lebensläufe ohne Kontext
- Warten, bis „etwas Passendes“ vorbeikommt
Was (besser) funktioniert:
1. Gezielte Ansprache von Headhuntern
Aber: Bitte richtig. Der Headhunter im Talk war deutlich: Er bekommt täglich Anfragen von Menschen, deren Profil überhaupt nicht zu seinem Spezialgebiet passt.
Mach deine Hausaufgaben. Finde heraus, welche Personalberater:innen für deine Branche, Funktion und Ebene zuständig sind. Und geh gezielt auf sie zu.
2. Reverse Headhunting / Outplacement-Beratung
Es gibt Dienstleister, die nicht für Unternehmen, sondern für Kandidat:innen arbeiten. Sie helfen, passende Unternehmen zu identifizieren und gezielt anzusprechen, eine Investition, die sich in vielen Fällen lohnt, zum Beispiel auch dann, wenn du nicht auf dem offenen Markt sichtbar sein willst.
3. Der verdeckte Arbeitsmarkt
Die meisten Positionen auf Executive-Ebene werden gar nicht öffentlich ausgeschrieben.
Sie entstehen über Kontakte, Empfehlungen, zufällige Gespräche.
Deshalb: Netzwerk, Netzwerk, Netzwerk.
Reaktiviere alte Kontakte, führe Informationsgespräche, bring dich ins Gespräch, nicht als Bewerber:in, sondern als interessierte:r und interessante:r Gesprächspartner:in.
5. Wie bewerbe ich mich richtig, wenn ich über 50 bin und nicht im Bewerbungspool untergehen will?
Zwei Dinge sind hier entscheidend:
1. Mach dir vorher klar, was du willst
Viele Bewerbungen scheitern nicht daran, dass du nicht gut genug bist, sondern daran, dass du selbst nicht weißt, was du willst. Statt dich auf alles zu bewerben, was irgendwie passt, drehe den Spieß um:
Was sind deine Kriterien? Was brauchst du – fachlich, kulturell, menschlich?
Nur wenn du das klar hast, kannst du überzeugend darlegen, warum du für diese Position der oder die Richtige bist.
2. Erarbeite ein klares Narrativ
Wichtig ist nicht, dass du „alles Mögliche“ kannst. Wichtig ist, dass du erklären kannst, warum genau du für genau diese Position ideal bist.
Dazu brauchst du dich nicht marktschreierisch in Szene setzen – im Gegenteil. Du brauchst eine plausible, gut begründete Geschichte: Was bringst du mit? Was hast du gelernt? Welche Herausforderungen hast du schon gemeistert? Und wie passt das hierher?
6. Wie gehe ich souverän mit Absagen um – und soll ich nach dem Grund fragen?
Absagen tun weh, besonders, wenn du überzeugt bist, dass du perfekt gepasst hättest.
Noch schlimmer und leider weit verbreitet ist, gar keine Rückmeldung zu erhalten.
Der Headhunter im Talk meinte: Nur wenn du bereits im Gespräch warst, lohnt sich eine Nachfrage. Und dann darfst du auch gerne ins Feld führen, dass du dich im Vorfeld sehr stark mit dem Unternehmen und der Position beschäftigt und viel Energie darauf verwendet hast. Natürlich bitte nicht als Vorwurf, auch nicht als Rechtfertigung, sondern als Erklärung und kleinen Reminder, dass es nur recht und billig ist, dass du zumindest Auskunft bekommst.
Ich finde, du kannst in jedem Stadium des Prozesses nachfragen:
Wenn es dich innerlich nicht loslässt, ja, dann frag!
Nicht, um das Ergebnis zu ändern. Sondern um für dich Klarheit zu bekommen.
Wenn du das Gefühl hast, dass du sonst tagelang darüber nachgrübelst, dann tu es für deinen inneren Frieden.
Im besten Fall bekommst du eine ehrliche Rückmeldung. Im schlimmsten Fall heißt es: „Wir geben keine individuellen Auskünfte.“ Auch gut, dann kannst du es abhaken.
7. Ist ein Branchenwechsel mit 50+ realistisch, und was muss ich dabei beachten?
Kurz gesagt: Ja, wenn du erklären kannst, warum.
Ein Branchenwechsel ist nicht ausgeschlossen, aber er funktioniert nicht über klassische Bewerbungen.
Was du brauchst:
- Informelle Gespräche
- Kontakte zu Menschen in der Zielbranche
- Und wieder ganz wichtig: Eine Geschichte, die erklärt: Warum willst du wechseln? Was bringst du mit, das übertragbar ist? Wo siehst du Parallelen?
Wenn du z. B. im Vertrieb gearbeitet hast, lassen sich Vertriebslogiken oft auf andere Branchen übertragen, sofern die Vertriebsstruktur und die Prozesse ähnlich sind.
Aber das muss von dir sichtbar gemacht werden. Und das gelingt dir nicht mit einem Standard-Lebenslauf, sondern mit einem klaren Narrativ. Noch wichtiger, wenn sich nicht so offensichtlich Parallelen ziehen lassen. Dein Wunsch ist das eine, aber dein Gegenüber muss verstehen, was ihm das bringt.
8. Wie wichtig ist es, sich mit KI und Digitalisierung auszukennen, gerade in meinem Alter?
Viele fragen sich: Muss ich jetzt auch noch KI lernen, nur um mitreden zu können? Die klare Antwort: Nein, nicht um der Technik willen.
Aber: Ja, wenn es zu deinem Job gehört.
Und ja, wenn du damit ein Vorurteil ausräumen kannst („die Alten können sich nicht mehr umstellen“).
Es geht nicht darum, dass du programmierst oder ChatGPT besser nutzt als ein 30-Jähriger.
Aber wenn du dich als Führungskraft für moderne Entwicklungen interessierst, auf dem Laufenden bleibst und zeigst, dass du lernbereit bist, dann punktest du damit mehr, als du denkst.
Wenn du dich hingegen mit etwas anderem viel gezielter weiterbilden kannst, z.B. in deinem Fachgebiet, im Leadership oder in einer Fremdsprache, die für deine Position relevant ist, dann mach‘ lieber das. Zeigt auch, dass du dich weiterentwickelst und sinnvolle Weiterbildung schlägt Trendhopping.
Fazit: Mit 50 ist nicht alles vorbei, aber es muss anders angegangen werden
Der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Und mit ihm die Spielregeln. Selbst mit beeindruckender Karriere im Gepäck erweist sich der Bewerbungsprozess als neue Herausforderung, besonders ab der Lebensmitte: Altersdiskriminierung, unterschätzte Rollenwechsel und Missverständnisse in der Selbstpräsentation sind nur einige Stolpersteine.
Was bleibt: Du brauchst Klarheit. Du brauchst Haltung. Und du brauchst eine gute Story.
Wenn du das Gefühl hast, du willst oder musst dich neu aufstellen, dann nimm dir die Zeit, dich selbst besser kennenzulernen. Nur so kannst du vermitteln, weshalb du die oder der Richtige für eine Position bist.
Und wenn du dabei Unterstützung brauchst – ich bin da.
Lass uns sprechen. Buch dir ein unverbindliches Strategie-Gespräch.
Denn es ist nie zu spät für einen beruflichen Neustart, aber es ist höchste Zeit, ihn richtig anzugehen.
Hier kommst du zu meinem Terminkalender, in dem du dir gerne eine kostenlose Erstberatung vereinbaren darfst: