Mein heutiger Interview-Gast, Bernd Slaghuis, stieg 2010 aus dem Angestelltenverhältnis aus und arbeitet seitdem als Karrierecoach. Seine und meine Kunden sind sich sehr ähnlich: 40 oder 50plus, sehr frustriert und unzufrieden, teilweise haben sie schon gekündigt oder wurden gekündigt. Die meisten meiner Kunden wollen in die Selbstständigkeit, bei seinen Kunden soll es ein neuer Job sein.
Wir sprechen über Bernds eigenen Weg und über seine Arbeit mit Menschen in der beruflichen Neuorientierung – hier:
Bernds Lebenslauf sieht bunt aus. Nach dem Abi machte er eine Bankausbildung, studierte dann Wirtschaftswissenschaften und promovierte. Damals arbeitete er 5 Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni.
Danach fing er in einer Rechtschutzversicherung als Vorstandsassistent an und wechselte dann in die Unternehmensentwicklung. Nach 5 spannenden und lehrreichen Jahren hatte er das Gefühl, er kenne das Unternehmen nun in- und auswendig. Ihm wurde langweilig und er bewarb sich für einen neuen Job.
Die Bewerbungen führten ihn zur AXA für die Position des Leiters Unternehmensentwicklung. Ein spannendes Angebot, doch schon während des Vorstellungsgesprächs spürte er, dass er nicht seinen bisherigen Schreibtisch gegen einen anderen Schreibtisch in einem größeren Unternehmen tauschen wollte, wo er etwas ähnliches machen würde. Er wollte etwas anderes ausprobieren.
Krummer Lebenslauf oder roter Faden?
Zu diesem Zeitpunkt wusste er noch nicht wie oder was, aber er wollte eine andere Form des Arbeitens. Er nahm sich die Zeit, herauszufinden, was das sein könnte, aktivierte sein Netzwerk, traf sich mit Leuten zum Kaffeetrinken…
Und stieß auf einen Marketingprofi, der eine kleine Marketing-Agentur hatte. Sie fanden, dass sie sich mit ihren Fähigkeiten gut ergänzten und eine gute Kombi abgeben würden und gründeten gemeinsam ein Consulting-Unternehmen. Das war Bernds Start in die Selbstständigkeit.
Besonders hinweisen möchte ich an dieser Stelle darauf, dass sich Bernd erlaubte, seinem Bauchgefühl zu folgen und außerdem offen genug war, einfach mal zu schauen, was eine andere Möglichkeit sein könnte. Und das, obwohl der logisch ideale Job zum Greifen nah war. Darauf gehen wir später noch genauer ein.
In diesen zwei Jahren als Consultant lernte Bernd viel. Vor allem auch über sich. Unter anderem stellte er fest, dass er kein Team brauchte. Im Gegenteil: Wenn er zuhause alleine seiner Tätigkeit nachgehen konnte, ging es ihm besser als in einem Team. In der Konsequenz sagt er heute auch: Ich will kein großes Unternehmen mit vielen Mitarbeitern.
So baute er parallel seine Selbstständigkeit als Coach auf. Seine Coaching-Ausbildung hatte er schon während der Anstellung gemacht.
Vom Banker über die Unternehmensentwicklung in einer Versicherung zum Coach? Vielleicht fragst du dich, wie das geht? Ist das nicht etwas völlig anderes?
Auf den ersten Blick ja. Auf den zweiten gibt es jedoch einen roten Faden, der sich durch Bernds Werdegang durchzieht. Diese Diskussion finde ich sehr interessant, denn genau das, was hinter (oder unter) den verschiedenen Tätigkeiten liegt, suche ich auch bei meinen Kunden, um daraus eine Geschäftsidee zu entwickeln.
Bei Bernd ist es die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge und Themen schnell erkennen, strukturieren und sortieren und einen Plan entwickeln zu können.
Heute kommen Menschen zu ihm ins Coaching, die genau das wollen: Dass jemand ihre Gedanken sortiert. Genau das, was er kann und was ihn ausmacht, macht ihn zu einem guten Coach.
Neuer Job mit 50 – erst mal eine Pause gönnen
„Viele Klienten waren jahrelang im Konzern-Hamsterrad und in dem Moment, wo wir kreativ in die Zukunft schauen wollen, gehen sie sofort in den Widerstand.“ Ein typisches Phänomen, dem ich bei „meinen Managern in Transition“ auch immer wieder begegne. Wenn man dann einen Vorschlag macht, heißt es schnell: Das kann ich nicht, das geht nicht, das hab ich nicht gelernt.
Das ist ein Symptom, dass viele noch nicht so weit sind. Genau. Sehe ich auch so. Bernd sagt: Sie sind noch in dem Modus: Ich muss jetzt 10 Bewerbungen am Tag schreiben.
Das kann nicht funktionieren. Es braucht Leichtigkeit und Neugierde. (Oh ja, ich fühle mich SO bestätigt durch die Aussagen meines Kollegen ;-).)
Geh einfach raus, mit dem, was du weißt, das du kannst und sei neugierig was kommt und wer dir begegnet. Ich weiß, das ist nicht so einfach, wenn die Angst überwiegt. Und genau dafür gibt es Menschen wie Bernd und mich, die dir sagen: Alles ist gut. Du darfst auch mal lockerlassen. Deshalb passiert nicht gleich etwas Furchtbares.
Manchmal sind Klienten so sehr noch unter Druck, dass sie sich einfach noch gar nicht auf etwas anderes einlassen können. Dann sollte man sich erlauben, auch mal Pause zu machen. Wochen oder gar Monate einfach mal Kraft sammeln. Fast ausgebrannt in den nächsten Job zu rutschen – das kann nicht gut gehen.
Und: Welche Rolle spielt ein halbes Jahr Lücke schon im Lebenslauf – besonders wenn der schon sehr lang ist? Erlaube dir erst mal, wieder in dein Leben zurückzufinden und herauszufinden, was dir Kraft gibt.
Ein neuer Job mit 50 – welche Rolle spielt das Alter?
Ist die „Mitte des Lebens“ eine besondere Phase? Spielt das Alter eine Rolle?
Ja, ganz klar – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht.
Positiv gesehen bedeutet Alter Lebenserfahrung.
Viele Ü50 haben das Gefühl, dass ihr Fachwissen nicht mehr gut genug ist, weil die Jungen das aktuellere Wissen haben.
Sie stehen sich selbst im Weg, weil sie das Erfahrungswissen, das sie auf der anderen Seite haben, nicht wertschätzen können. Sie haben Unglaubliches geleistet und sehen das nicht als etwas Besonderes. (Das ist so wie wenn mir gestandene Manager sagen: Ich kann nur managen.)
Viele Manager vergessen den Manager in ihrem Erfahrungswissen. Sie denken nur in Projekten, Aufgaben und Tätigkeiten. Dabei bedeutet managen doch, dass sie große Teams geführt, große Budgets geplant, große Entscheidungen getroffen haben … das alles vergessen sie.
Der andere – negative – Altersaspekt: Bekomm‘ ich mit 50 noch einen Job?
„Aber mit 50 hab‘ ich doch keine Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt.“ Diese Denke macht extrem Druck und blockiert in einer Veränderungssituation.
Ja, der Bewerbungsprozess dauert mit 50 länger als mit 30. Das liegt aber auch an den Kandidaten selbst, denn sie sind auch wählerischer geworden. Und sie können es sich finanziell leisten, wenn es etwas länger dauert.
Zu alt für den Arbeitsmarkt – Selbstständigkeit als Notlösung?
Klares Nein – von Bernd und von mir. Selbstständigkeit darf kein Plan B sein.
Du brauchst viel Energie und Kraft für eine Selbstständigkeit. Und nicht jeder ist dafür geeignet. Es gibt Menschen, die z.B. Dinge gut weiterentwickeln können, aber sie können schwer aus dem Nichts heraus agieren und gestalten. Das ist aber in der Selbstständigkeit wichtig.
Doch auf Basis so einer Erkenntnis von vorneherein zu sagen, Selbstständigkeit ist nichts für dich, ist zu kurz gesprungen. Auch Bernd ist der Meinung, dass man Selbstständigkeit gerne auch probieren darf. Er selbst gab sich ein Jahr Zeit, um für sich zu bewerten, ob er das kann und will. Ausprobieren heißt auch hier Erfahrungen sammeln. Spüren, was es mit dir macht. Und festzustellen, was einem liegt und was eher nicht.
Erfolgsrezept Klarheit und Konsequenz
Erfahrungen sammeln und ins Spüren kommen, ja. Dann aber auch konsequent sein und entsprechende Entscheidungen treffen. Das ist wichtig.
Wenn du herausfindest, was auf deine Werte einzahlt und was eher nicht, dann solltest du die Konsequenzen ziehen. Weniger von dem machen, was dir nicht gut tut und dafür mehr Zeit haben für das, was du willst. Und dementsprechend auch den nächsten Job wählen oder eine Selbstständigkeit gestalten.
Wenn du mehr über Bernd Slaghuis erfahren möchtest, findest du seine Website hier:
https://www.bernd-slaghuis.de
Warum „Let’s talk about“?
Ich habe diese Reihe ins Leben gerufen, weil ich weiß, dass es eine ordentliche Portion Mut erfordert, aus der Angestelltenrolle in die Selbstständigkeit zu gehen. Und weil ich außerdem weiß, dass Vorbilder und Gleichgesinnte ein ganz wichtiger Schlüssel zum Erfolg sind.
Sie zeigen eben, dass es funktioniert. Dass nicht immer alles glattläuft. Dass der Erfolg nicht über Nacht kommt, dass jeder Hürden überwinden muss, dass es nicht nur Mut, sondern auch Durchhaltevermögen braucht.
Und sie erzählen, wie SIE es gemacht haben. Sie berichten über ihre ganz persönliche Geschichte, sprechen offen über ihre Ängste und auch über Misserfolge. Und natürlich über ihre eigenen Erfolgsrezepte.
WENN SIE ES GESCHAFFT HABEN, DANN SCHAFFST DU ES AUCH!
Wenn du in der Situation bist, dass du gekündigt hast oder dich mit dem Gedanken trägst, vereinbare hier ein kostenloses Gespräch mit mir , in dem ich dich zu deiner Strategie berate.